Carl Schmitt legte 1932 mit seiner Grundlagenschrift “Der Begriff des Politischen” Grundsätzliches vor. In einer Zeit, in die das Politische gerade erst vollumfänglich eingetreten war, schaute er wie auf dem Seziertisch in das Phänomen hinein und führte es auf ein Grundprinzip zurück: politisch ist, wer Freund und Feind unterscheiden kann. Bahnbrechend damals. Aber heute? Was sagt uns Schmitts Begriff des Politischen über unsere derzeitige Lage.
„Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“ und „politisches Denken und politischer Instinkt bewähren sich theoretisch und praktisch an der Fähigkeit, Freund und Feind zu unterscheiden“ sind wohl die Schlüsselzitate aus Carl Schmitts bahnbrechendem Grundlagenwerk „Der Begriff des Politischen“, das der Plettenberger Jurist und politische Philosoph 1932 erstmals veröffentlichte.
Politik ist also die (freie) Unterscheidung von Freund und Feind unter der Möglichkeit des Kampfes, also der Ausrufung des Ausnahmezustandes und vor allem des Entschlusses dazu, der allerdings im modernen Staat und vor allem in der Parteipolitik ausbleibt. Wirklich souverän und politisch ist also, wer diese Unterscheidung frei treffen kann; wer weiß und artikuliert, wer sein Feind ist und gegen ihn vorgeht.
Schmitts Thesen waren im frühen 20. Jahrhundert von äußerster Wichtigkeit. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches, ja schon während dessen Dahinsiechens, hielt das „Politische“ erstmals Einzug in die deutsche Gesellschaft. Dieses wollte und musste folglich definiert werden. Der Rechtswissenschaftler Schmitt lieferte eine Definition, die bis heute Gültigkeit aufweist.
Der Begriff des Politischen heute
Was aber sagt Schmitts Definition des Politischen über die heutige deutsche Gesellschaft aus? Die folgenden Beobachtungen beziehen sich auf die Zeit nach Gründung der Alternative für Deutschland (AfD), die ein Novum in der deutschen Nachkriegsgeschichte war, Deutschlands erste rechtspopulistische Partei darstellte und die deutsche Gesellschaft und ihr Parteiensystem damit von Grund auf veränderte. Diese Neugründung führte zu politischen Phänomenen, die wohl klarer werden, wenn man sie durch Schmitts Brille betrachtet.
Dazu benötigt es eine kurze Lagebeschreibung: Relativ rasch nach der Gründung der AfD im Jahre 2013 formierte sich ein zunächst loses Bündnis zwischen den bereits etablierten Parteien, das von Seiten der AfD traditionell abwertend nur als „Altparteienblock“ oder “-kartell” bezeichnet wird. Eine Dichotomie entwickelte sich, die in Begriffen wie „Brandmauer“ und der Unterscheidung seitens der etablierten Parteien in „Demokraten“ (ergo „Etablierte“) und „Antidemokraten“ (ergo AfD) kulminierte. Eine Zweiteilung des gesamten Parteienapparates ist seit dem Auftreten der Alternative für Deutschland mehr als offenkundig.
Was aber war denn dann vorher, fragt man sich unweigerlich. Waren die Unterschiede zwischen den etablierten Parteien etwa so gering, dass sie sich letzten Endes so problemlos wie rasch zu einem Block zusammenschließen konnten – was wohl am eindrucksvollsten in Ostdeutschland zu beobachten ist, wo bspw. bei Bürgermeisterwahlen häufig ein AfD-Kandidat gegen einen Kandidaten des „breiten Bündnisses“, bestehend aus sämtlichen etablierten Parteien antritt. Ist den sogenannten etablierten Parteien hier also ein neuer Feind entstanden?
Das Entstehen eines Feindes
Die Frage muss eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden. Liest man heutzutage Positionspapiere, Programmschriften oder lauscht man (Gott bewahre) Plenarreden der etablierten Parteien, so beschleicht einen das Gefühl, dass diese sich in den grundlegenden Dingen sowieso bereits einig sind und gerade noch über Detailfragen zu diskutieren und debattieren bereit sind. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die sogenannte Energiewende, die grundsätzlich von keiner der etablierten Parteien wirklich in Frage gestellt wird. Ganz im Gegenteil: Eine vormals konservative Partei, die CDU nämlich, hat diese gestartet und vorangetrieben.
Ganz anders die AfD. Dieser bleibt scheinbar gar nichts Anderes übrig, als in Fragen wie der Energiewende in Fundamentalopposition zu gehen. Ihr fällt es sichtlich schwer, in diesen Dingen überhaupt Positionen und Ansätze zu finden, da sie diese (scheinbar für die anderen Parteien zum Grundkonsens gehörenden) Dinge grundsätzlich ablehnt. Man muss also konstatieren: Die AfD legt in diesen für unsere Gesellschaft wichtigen Fragen ihre Feindschaft sehr dezidiert fest. Sie liegt in sämtlichen Fragen, seien es Energie-, Migrations- oder auch Wirtschaftspolitik, in eindeutiger Feindschaft zum “Altparteienblock”, der sie dies auch in all seinem Tun und Handeln auch spüren lässt.
Ein Gewinn für die Demokratie?
Das Entstehen der Alternative für Deutschland ist daher von größter politischer und historischer Bedeutung für Deutschland. Erst seit dem Eintreten der AfD im öffentlichen politischen Diskurs kann in Deutschland eigentlich wieder von einer wahrhaften politischen Meinungs- und Willensbildung gesprochen werden. Das geschichtslose Handeln der Altparteien im Sinne eines apolitischen Liberalismus ist spätestens seit 2013 vorbei, die Politik mit ihrer klassischen Freund-Feind-Unterscheidung hat wieder Einzug erhalten. Sie ist zurück!
Auch für die deutsche Demokratie ist dieser Vorgang ein enormer Gewinn, ist deren Ziel doch eben die freie Willensbildung eines Volkes unter Einbezug verschiedenster Meinungen. Erst mit dem Auftreten der AfD ist dies überhaupt wieder im Ansatz gewahrt. Bezeichnend ist dabei zudem, mit welchen Mitteln die Altparteien auf diese Entwicklung reagieren und wie sie sie zu unterminieren versuchen. Es wird nichts nützen: Die Politiklosigkeit ist endgültig vorbei, jetzt wird wieder Politik betrieben!